Dachstein. Steinerweg. Eine der ganz großen Unternehmungen in den Ostalpen. Vor eineinhalb Jahren kam die Idee auf, diesen Klassiker einmal klettern zu wollen und nun war es so weit. Das Wetter war den ganzen Sommer über gut und so schien es gewiss, dass der Steinerweg heuer gemacht werden wird. Doch kam es fast anders als gedacht. Verletzungen, Verpflichtungen, Urlaub, andere Pläne und doch nicht optimales Wetter an ausgesuchten Wochenenden schienen eine Verschiebung ins nächste Jahr notwendig zu machen, wenn sich da nicht Ende Oktober unglaublich traumhaftes und stabiles Wetter ausgebildet hätte. Eine warme und niederschlagsfreie Woche ließ den (Neu)Schnee in der Südwand fast gänzlich verschwinden und so entschieden wir, Markus und Mario, trotz mittlerweile kurzer Tage zum Dachstein zu fahren. Zu verlockend war die Wettervorhersage und die Bilder der Webcam und wir sollten nicht enttäuscht werden.
Da die Südwandhütte schon geschlossen war, schliefen wir auf der Türlwandhütte bevor der Wecker um 04:50 den Start eines langen Tages einläutete. Es war eine sternenklare Nacht, so dass wir unsere Stirnlampen nur im unwegsamen Gelände benutzen müssten. Nach einem kleinen Verhauer am Zustieg standen wir um halb acht nach heikler Überquerung eines winzigen aber steilen Eis-Kies-Feldes am Einstieg. Wir waren die einzigen, die den Steinerweg an diesem Tag machten. So konnten wir uns gleich nach einer kurzen Verschnaufpause einstiegsbereit machen. Das Wetter war traumhaft und als wir loslegen wollten, trafen uns die ersten Sonnenstrahlen.
Der Plan war die ersten Seillängen am laufenden Seil zu gehen. Es ging recht flott dahin, auch wenn wir kurz stehen bleiben mussten um überflüssiges Gewand in den Rucksack zu packen. Wir kletterten bis zum Schluchtüberhang mit kurzem Leiberl. Vor dem Hangel am Salzburgerband machten wir zum dritten Mal Stand und Markus übernahm die sehr ausgesetzte Stelle in tollem wasserzerfressenen aber recht steilem Fels. Als der Bohrhaken gegen Ende des Hangels eingehängt wurde war auch schon das kurze Seil aus und ich startete auch. Unterhalb des Steinerkamins – nach 14 SL – beschlossen wir aufgrund zunehmender Müdigkeit den Rest der Tour klassisch zu sichern. Zusätzlich steckte uns die extreme Ausgesetztheit des Hangels noch in den Knochen. Bis dahin waren wir knapp drei Stunden mit kurzer Pause am Dachgiebel durchgeklettert.
Nach dem Steinerkamin grüßten wir eine Seilschaft auf selber Höhe im Pichlweg. Die Ausstiegsbänder dessen waren schneebedeckt, doch die Kletterer schritten unerschrocken und mit beeindruckendem Tempo am laufenden Seil voran. Die 20. SL war moralisch anspruchsvoll und kostete mir viel Kraft. Vor dem Schluchtüberhang machten wir nocheinmal Pause und stärkten uns mit Müsliriegel und Traubenzucker. Wir hatten es schon gelesen und während unserer Pause konnten wir auch erkennen, dass die Bohrhaken in der Schlüsselstelle fehlten. Vom ersten war noch der Stift zu sehen, der zweite war völlig versenkt. Ich war wieder im Vorstieg und beschloss auf Grund schwindender Kräfte und zur Sicherheit die Stelle technisch zu überwinden. Den Stift des BH band ich mit einem Klemmkeil ab, nutzte eine Tritt(band)schlinge um Höhe zu gewinnen, konnte glücklicherweise einen Friend weiter oben platzieren und schon war die Stelle überwunden.
Vor uns lagen noch fünf SL und die größten Schwierigkeiten waren laut Topo vorbei. Doch was uns die Webcambilder befürchten ließen bestätigte sich. Die letzten Seillängen waren zum Großteil verschneit, so dass wir stellenweise bis zu den Knien im Schnee steckten. Obwohl die Ausstiegslängen doch etwas heikler wurden und länger dauerten als gedacht, erreichten wir nach insgesamt sieben Stunden den Westgrat und kurze Zeit später glücklich und erleichtert den Gipfel, auf dem wir ganz alleine waren. Vor uns lag noch der Abstieg über den Schulteranstieg, den wir trotz Schneelage und Dank guter Spuren in Windeseile hinter uns ließen und dessen Randkluft mir fast noch zum Verhängnis wurde. Erschöpft erreichten wir die (nicht letzte) Gondel und stärkten uns nochmals auf der Türlwandhütte bevor es wieder nachhause ging.
Alles in allem wurden alle Erwartungen der letzten Jahre erfüllt und wir machten eine großartige Erfahrung. Diese wurde uns mit großartigem Wetter und der Tatsache, dass wir die gesamte Wand als auch den Gipfel für uns hatten, versüßt. Wir können an dieser Stelle nur den Hut vor den Erstbegehern ziehen, die mit ganz anderem Material diese Wand als erste durchkletterten.
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