Als Luki und ich Ende Mai von der Peternschartenkopf Nordwand Richtung Haindlkarhütte abstiegen, trafen wir zwei Kletterer, die die „60plus“ an der Rosskuppe gegangen waren. Die Kletterer meinten, dass es sich dabei um eine sehr schöne Tour handle. Die 60plus, könnte man sagen, ist die direktere Rosskuppenkante und als Luki und ich am nächsten Tag die klassische Rosskuppenkante kletterten, konnten wir schon einen Einblick in die eine oder andere Seillänge der 60plus gewinnen. Schon am Abstieg fragte Luki mich, ob wir nicht auch mal diese Tour klettern wollen. Diese ist mit acht von circa zwanzig Seillängen im VI. Schwierigkeitsgrad anhaltender, aber auch besser abgesichert. Die 15 Meter lange Schlüsselseillänge ist frei mit VIII-/VIII bewertet, aber auch technisch (VI+A0) bewältigbar.
Diesen Samstagmorgen fragt Luki mich dann erneut, ob wir nicht wieder ins Gesäuse fahren und uns an der 60plus probieren wollen. Der Plan ist schnell geschmiedet und Sonntagabend geht’s gen Norden und zur Haindlkarhütte. Am Wochenende war zwar noch Regen gemeldet und der Boden ist etwas feucht, die Wände sehen aber sehr trocken aus und für Montag ist sonniges, stabiles Wetter angesagt. Der Peternpfad ist dieses Mal schon ausgetretener, neu markiert und frei von Schneefeldern. Dies macht den Zustieg etwas angenehmer und in einer guten Stunde erreichen wir Montagmorgen den Einstieg am Fuße der Rosskuppe. Die 60plus startet am tiefsten Punkt und nützt so die gesamte Wandhöhe (510m) aus.
Ich beginne mit der ersten Seillänge – der Fels ist schön rau, die Kletterei nicht schwierig (IV) und recht gut abgesichert. Das macht aber auch Sinn, denn nicht alles ist 100 prozentig fest. Hatte ich mir zuhause noch Gedanken gemacht, wie wohl die Schwierigkeitsbewertung sein wird, so habe ich schon in der dritten Seillänge das Vergnügnen im VI. Grad zu klettern. In so mancher „älteren“ Tour bin ich mir manchmal nicht so sicher mit den teils harten Bewertungen – jedoch ist die 60plus nach 2000 eingebohrt worden und deshalb zum Glück auch „moderner“ bewertet. Diese dritte Seillänge ist richtig schön zu klettern – man tänzelt in der gut strukturierten, rauen Plattenwand. Die fünfte Seillänge kennen wir schon von der Rosskuppenkante. Dieses Mal kommt mir das Gestein deutlich fester vor und mir gefällt die Länge besser – mag vielleicht auch damit zu tun haben, dass ich frisch bin.
Danach zweigen wir nach links in die Schlüsselseillänge ab. Da Luki einen Onsight-Versuch haben möchte, gehört ihm der Vorstieg. Ich bin mir am Stand sowieso noch gar nicht sicher, ob ich überhaupt frei klettern möchte. Leider gelingt Luki das Onsight nicht, er klettert aber die Länge frei und makiert mir zwei Griffe in der Schlüsselstelle. Als ich an eben dieser im Nachstieg ankomme, denke ich mir „was kostet die Welt“ und probiere weiterhin frei zu klettern. Doch ziemlich motiviert und mit etwas Kampfgeschrei, das aus den Wänden widerhallt, mache ich zwei dynamische Züge im Überhang, bringe die Füße drüber und überwinde die Schlüsselstelle. Danach lässt die steile Seillänge aber noch nicht aus – Luki feuert mich weiterhin an und ich erreiche schwer gepumpt den Stand. Durchgestiegen – sozusagen Nachstiegsflash – Cool!
Nachdem ich meinen Pump wieder losgeworden bin, geht es weiter. In der nächsten Verschneidung (VI+) heißt es gut Steigen – auch über dem Haken. Alles löst sich aber gut auf. Die achte Seillänge (wieder VI+) ist ein langer, steiler Riss (zum Teil Doppelriss) mit vielen Zangengriffen. Ganz schön anspruchsvoll und ich muss mich selbst im Nachstieg ordentlich anhalten und motiviert bleiben um die Seillänge durchzusteigen. Das Gelände sieht ab hier wieder flacher aus und wir machen eine kurze Verschnauf- und Essenspause auf dem sonnigen Buckel nach der neunten „Seillänge“ (10m, I). Die nächste VI+ Seillänge übernehme ich wieder, damit es nicht einseitig wird. Diese hat eine bissige aber sehr gut gesicherte Einzelstelle, bevor es in leichtem Gelände weitergeht. Die nächste VI+ Länge ist abermals richtig super und macht Spaß. Nach einer weiteren Seillänge (IV+) erreichen wir den Stadlerquergang. (Besser am rechten Klebehaken neben der Gedenktafel Stand machen)
Auf uns wartet die letzte VI+ Länge, die abermals echt gut zu klettern und genial ist. Immer wieder super Schuppen in der sehr kompakten Plattenwand. Nach einer schönen V+ erreichen wir ein letztes Mal die Rosskuppenkante, der wir in fünf Seillängen zum Ausstieg folgen. Wir sind auch dieses Mal wieder etwas erschöpft und meinen die Höhe ein wenig zu spüren. Nichtsdestotrotz überwiegt die Freude, dass wir diese super Tour gemacht haben und ich noch dazu alle Seillänge durchgestiegen bin. Für Luki bleibt ein kleiner Wehmutstropfen wegen dem verhauten Onsight – aber immerhin ist er alles frei geklettert. Nach einer Jausenpause gehts über die Rosskuppe zur Peternscharte und den Peternpfad hinunter zurück zum Auto. Dass sich keine Schneefelder mehr am Weg befinden, macht den Abstieg deutlich angenehmer und nach der Peternscharte fühlen wir uns auch schon wieder frischer.
Fazit: Eine super Tour und vielleicht die (für uns beide) schönste im Gesäuse bis jetzt. Für Gesäuseverhältnisse gut abgesichert – man muss zwischen den Haken aber auch klettern. Das Gestein ist im untersten Teil etwas brüchig wird aber sukzessive besser. Trotzdem waren wir in den schrofigen Passagen vorsichtig unterwegs. Jedem, der den VI. Schwierigkeitsgrad solide klettern kann, kann ich diese Tour ans Herz legen. Die Seillängen waren durchwegs schön.